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Blitzschutz Mehrfamilienhaus Vorschriften, bitte Hilfe

Verfasst: Mo 11. Jun 2018, 10:09
von Alex7734
Hallo Zusammen,
ich bin kein Elektriker brauche aber bitte kurz Hilfe was Vorschriften für Blitzschutz angeht.

Ich wohne in einem Mehrfamilien Haus, 18 Wohnungen, 3 Stockwerke, 3 Eingänge mit halt je 6 Wohnungen, das Haus ca. 60-70m lang. Wir haben eine Blitzschutzanlage auf dem Dach welche an jeder der vier Hausecken und auf jeder Seite ein Mal in der Mitte in den Boden gehen.
Nun ist folgendes passiert, ein Eigentümer der in den letzten Jahrzehnten das Haus technisch betreut hat, aber keine Ausbildung hat, ist hin gegangen und hat einen Abgang der Erdung einfach abgetrennt. Seiner Meinung nach stört es seinen WLAN Empfang. Naja, dass die Sache selbst eine Frechheit ist, lass ich jetzt mal hin gestellt will auch gar nicht ausdiskutieren.
Aber könnt Ihr mir evtl helfen ob er damit gegen irgendwelche Normen verstoßen hat, ob es gefährlich sein kann, ob ich auch mal Behörden oder Versicherung einschalten kann? die Hausverwaltung ist schon drauf hingewiesen worden, aber die fahren einen totalen Kuschelkurs mit diesem Eigentümer (beide halt seit 30 Jahren dabei) und reagiert nicht oder kehr das unter den Teppich.
Danke für Eure qualifizierten Antworten

Re: Blitzschutz Mehrfamilienhaus Vorschriften, bitte Hilfe

Verfasst: Mi 13. Jun 2018, 21:23
von Dipol
Dann übernehme ich als Gelegenheitsbesucher mal die Begrüßung: Willkommen im Forum!

Alex7734 hat geschrieben:Naja, dass die Sache selbst eine Frechheit ist, lass ich jetzt mal hin gestellt will auch gar nicht ausdiskutieren.

Gegen eigenmächtige Eingriffe in die Bausubstanz kann sich doch jeder andere Eigentümer - mit wie ohne Unterstützung der Hausverwaltung - wehren.

Da es für einen eigenen Handwerksberuf Blitzschutzbauer zu wenige Betriebe gibt, obliegen die Arbeiten an Blitzschutzsystemen gemäß Normenreihe DIN EN 62305 vom VDE oder VdB geprüften Blitzschutzfachkräften. Dachdecker oder Elektriker ohne spezielle Zusatzqualifikation sind keine Blitzschutzfachkräfte, nur kontrolliert das niemand. Wenn bei 60 bis 70 m Gebäudelänge tatsächlich lediglich 4 Ableitungen vorhanden sind, war die Blitzschutzanlage schon bei der Erstellung nicht normkonform. Falls auch noch die Ableitungen ohne Verbindung zum Schutzpotenzialausgleich des Gebäudes in undefinierbaren eigenen feuerverzinkten Erdspießen enden, ist die Schutzwirkung des "Blitzableiters" zwischen dubios und dekorativ einzustufen.

Vermutlich korrodiert auch diese Blitzschutzanlage wie die meisten jahrzehntelang ungeprüft vor sich hin, denn sonst wäre der viel zu große Abstand der Ableitungen und die Trennung einer Ableitung bereits von einer qualifizierten Blitzschutzfachkraft bemängelt worden.

Re: Blitzschutz Mehrfamilienhaus Vorschriften, bitte Hilfe

Verfasst: Do 14. Jun 2018, 09:11
von Alex7734
hi vielen Dank für Deine Antwort.

Kann ich das von Außen irgendwie erkennen?
Dipol hat geschrieben: Falls auch noch die Ableitungen ohne Verbindung zum Schutzpotenzialausgleich des Gebäudes in undefinierbaren eigenen feuerverzinkten Erdspießen enden, ist die Schutzwirkung des "Blitzableiters" zwischen dubios und dekorativ einzustufen.
.


Du hast glaube ich falsch gelesen, wir haben an jeder Ecke eine Ableitung und in der Mitte jeweils noch eine - sprich insgesamt 6 Stück.

Re: Blitzschutz Mehrfamilienhaus Vorschriften, bitte Hilfe

Verfasst: Do 14. Jun 2018, 13:32
von Dipol
Alex7734 hat geschrieben: Kann ich das von Außen irgendwie erkennen?

Mit bloßem Auge nicht, da muss man schon die Ableitungen an den Trennstellen lösen und die Anschlussfahnen bzw. Erdspieße gegen die Haupterdungsschiene messen. So lange noch ein Fitzelchen Draht vorhanden ist, ist die Messung niederohmig, Rückschlüsse auf den Korrosionsgrad und die Blitzstromtragfähigkeit sind nur optisch durch Freilegung möglich.

Wenn die Anschlussfahnen im Beton einmünden ist die Wahrscheinlichkeit normkonformer Verbindung zum Schutzpotenzialausgleich über den Fundamenterder größer als wenn sie mit Erdeinführungsstangen im Erdreich verbunden sind. Die sind mit 16 mm Durchmesser dicker als die Ableitung und müssen 0,3 m ober- und unterhalb der Erdeinführung korrosionsgeschützt sein.
Alex7734 hat geschrieben: Du hast glaube ich falsch gelesen, wir haben an jeder Ecke eine Ableitung und in der Mitte jeweils noch eine - sprich insgesamt 6 Stück.

Da habe ich in der Tat zu schnell gelesen, aber nach Tabelle 4 der DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) beträgt der Abstand in Blitzschutzklasse III für normale Wohngebäude typ. 15 m (+/- 20% Abweichung einzelner Ableitungen). Somit wären bei 60 m Gebäudelänge außer an den Ecken dazwischen noch weitere 3, bei 70 m weitere 4 Ableitungen erforderlich.

Da nix zur letzten Wartung geschrieben wurde, gehe ich davon aus, dass die schon länger her sein muss.

Re: Blitzschutz Mehrfamilienhaus Vorschriften, bitte Hilfe

Verfasst: Do 14. Jun 2018, 16:43
von Alex7734
Dipol hat geschrieben:
Da nix zur letzten Wartung geschrieben wurde, gehe ich davon aus, dass die schon länger her sein muss.


die letzte Wartung oder Prüfung wird in der Tat länger her sein. Gibt es vorgeschriebene Wartungsintervale oder ist es Eigentümmersache? Ich denke nachdem das instandgesetzt wurde mache das mal zum Thema bei der nächsten Hauptversammlung.

Danke für Deine Hilfe

Re: Blitzschutz Mehrfamilienhaus Vorschriften, bitte Hilfe

Verfasst: Do 14. Jun 2018, 20:33
von Dipol
Alex7734 hat geschrieben:Gibt es vorgeschriebene Wartungsintervale oder ist es Eigentümmersache? Ich denke nachdem das instandgesetzt wurde mache das mal zum Thema bei der nächsten Hauptversammlung.

Im Gegensatz zur Schweiz, wo einmal erstellte Blitzschutzsysteme behördlich kontrolliert werden, darf bei uns jeder Eigentümer baurechtlich nicht vorgeschriebene Blitzschutzanlaagen nach eigenem Gusto demontieren oder ohne Wartung vergammeln lassen.

M. E. gehört es aber zur ordnungsgemäßen Hausverwaltung Blitzschutzanlagen auf ihre Funktionstüchtigkeit so lange zu überprüfen und zu erhalten, wie es keinen gegenteiligen WEG-Beschluss gibt. Nach DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) sollen Blitzschutzanlagen der Schutzklasse III alle 2 Jahre einer Sichtprüfung unterzogen und alle 4 Jahre umfassend geprüft werden. Bei behördlich nicht geforderten Blitzschutzanlagen, welche noch nach Altnormenstand von 1982 oder später normwidrig ohne Inneren Blitzschutz (= Blitzschutzpotenzialausgleich mit Überspannungsschutz) erstellt wurden, stellt sich nach Risikoabwägung die Wirtschaftlichkeitsfrage für den Erhalt eines sicherheitstechnisch veralteten Status quo.

Bei Demontagen ist zu berücksichtigen, dass für an Blitzschutzanlagen geerdete Antennen weiterhin eine blitzstromtragfähige Verbindung zum Schutzpotenzialausgleich und einem normkonformen Erder erhalten bleiben muss.